Dienstag 19. November 2013
Näher ans Vorbild: Perfektes Altern Ihrer Modelle

Wer eine Modellbahn-Anlage mit höchstem Realismus der Darstellung plant, kommt um das Thema Altern nicht umhin. Mit den folgenden Tipps ahmen Sie Witterung, Abnutzung und Betriebsspuren perfekt nach.

Fleischmann-Modell einer BR 218 mit realistischer Betriebsverschmutzung schon ab Werk (Foto: Fleischmann)

Fleischmann-Modell einer BR 218 mit realistischer Betriebsverschmutzung schon ab Werk (Foto: Fleischmann)

Es ist eine Lebenserfahrung, und auf Ihre Modelle trifft sie auch zu: Leider bleibt im Leben nichts neu. Hausdächer vermoosen, Bleche verrosten, Farben bleichen aus, Betriebsverschmutzungen sind der Normalfall. Das alles in einzelne Szenen gekonnt zu integrieren, macht beim Modellbau einen guten Teil der optischen Faszination aus. Auffällig ist: Auch die Großserienhersteller bringen immer häufiger Sondereditionen heraus, die bereits mit Betriebsspuren versehen sind. Dies ist Handarbeit, ergo sind diese Modelle auffallend teuer. Doch sehr viel preiswerter können Sie selbst für die perfekte Alterungsoptik sorgen.

Speziell viele fortgeschrittene Modelleisenbahner geben sich mit dem Aussehen von Modellen der Bauten und des Rollmaterials, so wie sie bzw. deren Bausatzteile aus der Schachtel kommen, nicht zufrieden. Die Modelle werden daher "gealtert" oder "gesupert", wie die farblichen Anpassungen im Jargon genannt werden. Der Begriff "Altern" umfasst unterschiedliche Methoden der farblichen Behandlung und gilt für Bauten genauso wie für Fahrzeuge. Nicht fabrikneuer Plastikglanz ist gefragt, sondern realitätsnahe Spuren jahrelangen Gebrauchs sollen sichtbar werden.

Praktischer Nebeneffekt des Alterns von Modellen: Speziell auch alte und unansehnliche, beschädigte oder übertrieben bespielte Modelle können damit wieder "wie neu" aussehen und optisch zu besonderen Hinguckern werden. Die wichtigsten Tipps zum Altern der Modelle sowie verschiedene Verfahren und Anregungen für die praktische Anwendung haben wir im Folgenden für Sie zusammengestellt. 

1. Beginnen Sie Alterungsmaßnahmen immer sparsam

Wichtig: Üben Sie alle Verfahren am besten an einem wenig wertvollen Stück, beispielsweise gibt es auf den bekannten Modellbahnmärkten oder auf Trödelmärkten Güterwaggons diverser Hersteller für wenige Euro, an denen Sie Ihre "Alterungsfähigkeiten" testen und üben können.

Wenden Sie Ihre Alterungsmaßnahmen sparsam an! Es ist leichter, Effekte zu verstärken, als ein Zuviel an Farbe wieder zu entfernen. Arbeiten Sie beim Lasieren mit sehr stark verdünnter Farbe, um Vertiefungen, z. B. Mauer- oder Bretterfugen, herauszuarbeiten. Zum besseren Verlauf können Sie die Farbe mit einem Tropfen Klarspüler versetzen. Weiteres Grundprinzip: Tragen Sie beim Altern immer erst dunkle und dann helle Farben auf.

2. Dächer fallen dem Betrachter besonders auf

Für Gebäude und Fahrzeuge gilt: Dächer springen dem Betrachter einer Anlage aus der Vogelperspektive zuerst ins Auge, daher sollten sie auch bevorzugt behandelt werden. Bei Häusern: Passende Farbe (ziegelrot, rotbraun, grün, grau) wird mit einem Läppchen auf den Flächen verrieben. Probieren Sie folgende Arbeitsweisen: Farbe dünn anrühren, mit weichem Pinsel auftragen und mit Läppchen abwischen; mit dicker Farbe und Läppchen Farbe direkt aufreiben bzw. abweichende Farben partiell aufwischen. Für den Perfektionisten besteht auch die Option, Dachziegel einzeln in verschiedenen Farben zu bemalen.

Hausdächer sind im Original häufig bemoost, dies kann man mit einem grünen Schleier aus der Airbrush aufsprühen oder auch mit einer ausrangierten Zahnbürste auftupfen. Beleben Sie Hauswände mit Schildern und anderem "Zierrat" wie Hausnummern, Firmen-, Hinweis- oder Verkehrsschilder. Viele dieser Dinge sind als Aufkleber oder Aufreibebögen erhältlich oder lassen sich mit dem PC und einem Farbdrucker selbst erstellen.

3. Betriebsverschmutzungen bei Fahrzeugen

Fahrzeuge zeigen, vor allem im Fahrwerksbereich, Öl- und Rostspuren und Ablagerungen von Bremsstaub. An Schütt-gut- und Kesselwagen hinterlassen Be- und Entladung ihre Reste. Dampf- und Dieselloks verschmutzen mit Ruß und Abgasen nicht nur am eigenen Dach. Bauwerke leiden ebenso unter Witterung und Umweltverschmutzung, vermoosen oder werden überwachsen.

Fahrzeuge sammeln ebenfalls deutliche Schmutzmengen auf dem Dach, zumal oft nur die Seitenwände gereinigt werden. Nicht nur von Dampf- und Dieselloks stammen die Verschmutzungen, auch der Abrieb von Stromabnehmern bei E-Loks hinterlässt Spuren, wobei diese natürlich bevorzugt auf dem Triebfahrzeug selbst zu finden sind. Nachgebildet werden sie mit der Airbrush-Technik oder Farbpigmenten. Bei Güterwagen finden sich häufig nachlackierte Teilflächen mit kleinen, aber doch auffälligen Farbabweichungen. Graffitis auf Fahrzeugen und Gebäuden sind bei verschiedenen Anbietern als Abreibebögen erhältlich und zudem nützlich, um Missgeschicke beim Basteln und Lackieren zu kaschieren.

4. Naturtypische Alterungsspuren

An Stützmauern und Gebäuden findet sich da und dort Bewuchs mit Kletterpflanzen. Ideales Material für die Nachbildung ist Heki-Flor (gerissen, nicht geschnitten), es kann aber auch Belaubungsmaterial wie die verschiedenen Turf-Sorten des Herstellers Woodland Scenics direkt auf der Wand angebracht werden. Mit dünnen Fäden oder feinen Leistennachbildungen simulieren Sie Rankgerüste.

Auch Fahrzeuge können ein ähnliches Schicksal erleiden: Abgestellt als Schrott- oder Heizlok stehen sie stark verrostet und überwuchert auf einem Abstellgleis. Für solche Standmodelle eignen sich die von Revell angebotenen Lokbausätze im Maßstab H0 oder beschädigte, vielleicht auch nicht mehr lauffähige Modelle, die Sie mit etwas Glück auf Trödelmärkten oder als "Bastlermaterial" in Online-Auktionshäusern finden.

5. Kleinteile schon am Spritzling supern

Kleine Teile wie Fensterläden, Kamine oder Zurüstteile von Fahrzeugen lassen sich besser bemalen, so lange sie noch am Spritzling hängen. Besonders sinnvoll ist das z. B. bei Griffstangen, denn nach der Montage bleibt die der Fahrzeugwand zugewandte Seite zwar sichtbar, aber kaum mehr mit dem Pinsel erreichbar. Werden Bausatzteile vor der Montage lasiert oder bemalt, ist darauf zu achten, dass Klebestellen von Farbe freigehalten bzw. wieder freigekratzt werden. Gegebenenfalls sind Klebstoffe zu verwenden, die auch auf dem Anstrich halten. Im Zweifelsfall empfiehlt sich hier Sekundenkleber.

6. Vollflächige Lackierungen kaschieren Bausatzänderungen

Ganzflächige Anstriche bei Gebäuden verbergen nicht nur, dass mehrere eigentlich gleiche Bausätze nebeneinander stehen. Sie kaschieren auch Bausatzänderungen wie Gebäudeteile aus Polystyrolplatten ("PS-Platten"), zugeklebte Fenster oder schlecht passende und daher verspachtelte Klebefugen. Vollflächige Lackierungen bei Modellfahrzeugen sind eine Domäne der Airbrush-Technik, allerdings kann man auch mit Spraydosen annehmbare Ergebnisse erzielen. Geruchsarme Acryllacke sind hierbei vorzuziehen.

7. Pigmente – die reine Farbe

Farbpigmente oder Farbpulver sind (sehr fein zerriebene) Farbstoffe ohne Bindemittel. Sie eignen sich für unregelmäßige Verschmutzungsspuren, zum Beispiel im Fahrwerksbereich von Triebfahrzeugen und Wagen. Das Farbpigment-Pulver wird mit einem weichen Pinsel aufgetupft und anschließend abgebürstet, bis nur noch Reste in den Vertiefungen bleiben

Die Pigmente werden dazu mit einem weichen Pinsel aufgenommen und auf die zu alternden Bereiche aufgetupft, mit einem härteren Pinsel dann verrieben und, was nicht in Vertiefungen und Ecken hängen bleibt, abgekehrt. Dieser "Schmutz" haftet von selbst. Eine Fixierung z. B. durch Übersprühen mit klarem Mattlack oder Fixativ ist nicht erforderlich, macht die Sache aber grifffest, wobei die Farben beim Übersprühen nachdunkeln. Unfixierte Pigmentalterungen können Sie bei Bedarf problemlos wieder abwaschen.

8. Airbrush-Technik auch für das Altern eine Alternative

Auch Anfänger des "Luftpinsels" kommen beim Altern mit der Airbrush zu guten Ergebnissen, besonders, wenn es nicht auf flächig deckende, gleichmäßige Lackierungen, sondern lediglich um Abstumpfung von Plastikglanz oder bewusst fleckige Stellen geht.

Verwenden Sie dazu dunkle Farben (z. B. sepia, umbra, oliv, schwarz). Bei einer Airbrush-Pistole mit Double-Action sollten Sie viel Luft zugeben. Wenn Sie zu reproduzierbaren Ergebnissen kommen möchten, sollten Sie die verwendeten Farben und die Mischungsverhältnisse notieren.

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Von: Peter Popp / Rudolf Ring
 
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