Freitag 30. Dezember 2022
Schwungfahrt

Schwungfahrt bei Vorbild und Modelleisenbahn

Signal EL 6 - Halt für Fahrzeuge mit gehobenen Stromabnehmern

Signal EL 6 - Halt für Fahrzeuge mit gehobenen Stromabnehmern

Schwungfahrt beim Vorbild

Allgemein bedeutet Schwungfahrt, dass eine Lokomotive bzw. ein Zug einen bestimmten Streckenabschnitt ohne eigenen Antrieb passiert oder in ihn hineinrollt. Konkreter bezieht sich die Schwungfahrt jedoch nur auf elektrisch über eine Oberleitung angetriebene Fahrzeuge.

Wo Fahrleitungs-Speisebereiche zweier elektrischer Unterwerke aufeinandertreffen, werden sie durch eine Schutzstrecke (SS) voneinander getrennt. Für den Lokführer einer E-Lok gilt dann: Oberleitungsbügel (Pantograph) senken, Hauptschalter aus, denn sonst besteht die Gefahr eines gefährlichen Kurzschlusses. Unterbleibt dies, verursacht der Bügel einen Abriss-Lichtbogen und Schäden, die wahrscheinlich keine Weiterfahrt mehr zulassen.

Eine Schutzstrecke ist also im Prinzip ein isolierter Fahrleitungsabschnitt, der verhindert, dass durch die Stromabnehmer zwei Speisebereiche verbunden werden. Für Schutzstrecken gibt es eine ganze Reihe von Vorbildern, überall da, wo unterschiedliche Stromsysteme eingesetzt werden. Bei Karlsruhe-Durlach werden so das 750-Volt-AVG-Netz und das 15-kV-Netz der DB voneinander abgegrenzt.

Das Prinzip der Schwungfahrt mit Schutzstrecke wird häufig auch beim Übergang zwischen den Bahnsystemen unterschiedlicher Länder eingesetzt, damit Mehrsystemloks die notwendigen Umschaltungen vornehmen können.

Da Züge im Vorbild eine große Masse haben und einen geringen Rollwiderstand, können vergleichsweise lange Strecken als Schwungfahrt passiert werden. Das zeigt das historische Beispiel des von den Russen seinerzeit militärisch genutzten Flugplatzes Großenhain, wo kurz nach dem Bahnhof die Start- und Landebahn endete. Bis zum Abzug der russischen Streitkräfte im Herbst 1993 fehlte auf 660 Metern die Oberleitung. Elektrische Triebfahrzeuge mussten dieses Streckenstück mit gesenktem Stromabnehmer als Schwungfahrt passieren.

Die spannungsfreie Einfahrt in einen Bahnhof ohne elektrischen Antrieb wird als Schwungeinfahrt bezeichnet. Die weiteren Rangiervorgänge werden dann durch Diesellokomotiven durchgeführt. Das trifft häufig bei Umladebahnhöfen für die Containerverladung zu, weil Containerbrücken und Oberleitungen sich nur schlecht koordinieren lassen.

Als Anweisungen für die Triebfahrzeugführer werden die Fahrleitungssignale EL 3, EL 4, EL 5 und EL 6 eingesetzt.

Schwungfahrt für die Modelleisenbahn

Modelleisenbahn-Triebfahrzeuge führen andauernd Schwungfahrten durch, allerdings nur sehr kurze, wenn es mal wieder Probleme mit der Stromzuführung über die Gleise gibt. Um dieses Rollverhalten zu verbessern und ruckfreie Fahrten ohne ungewollte Unterbrechungen sicherzustellen, sind viele Modellbahn-Lokomotiven mit einer internen Schwungmasse ausgestattet. Das betrifft auch digital gesteuerte Modelle, die mit einer Massensimulation das Anfahr- und Bremsverhalten des Vorbild simulieren.

Schwungfahrten über längere Strecken sind bei der Modellbahn unüblich, weil die angetriebenen Fahrzeuge nach dem Ausfall der Spannungsversorgung mehr oder weniger schnell stehen bleiben. Zudem bereitet es einige Schwierigkeiten, im Fahrbetrieb die Oberleitungsbügel von E-Lok-Modellen vorbildnah zu senken und dann wieder zu heben, denn nur ganz wenige Modelle sind mit einer solchen digital steuerbaren Funktion ausgestattet.

Eine Schwungfahrt auf einer Modellbahn-Anlage nachzubauen, ist prinzipiell mit einer analogen Steuerung und Spannungsversorgung über eine Oberleitung möglich. Während bei einer digitalen Steuerung die Oberleitung funktionslos ist, kann sie bei analogen E-Lok-Triebfahrzeugen durchaus für die Spannungsversorgung eingesetzt werden. Entsprechende Lok-Modelle haben einen Umschalter, der den elektrischen Oberleitungsbetrieb aktiviert.

Trotzdem ist ein solches Szenario auf der Modellbahn-Anlage eher problematisch zu realisieren, da ja der Stromabnehmer bei jeder Durchfahrt mechanisch zuverlässig wieder "eingefangen" werden muss. Zudem sind klassische, analoge Modellbahn-Triebfahrzeuge dafür bekannt, beim Abstellen der Spannungsversorgung nur mit minimalem Auslauf praktisch abrupt stehen zu bleiben. Das macht eine vorbildnahe Darstellung dieser Szenerie nahezu unmöglich.

 

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Von: Rudolf Ring
 
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