Samstag 21. Oktober 2023
Objektophilie Objektsexualität - Liebe zum Modell

Unbestritten hat das Hobby Modellbahn eine erhebliche emotionale Komponente. Zudem ist es gar nicht mal so selten, dass Menschen sich in einen Gegenstand verlieben. Was wissen wir darüber aus der Welt der Eisenbahn- und Modellbahn-Enthusiasten und -Fetischisten?

Großdiesellok V200

Modell Großdiesellok V200 von Erich Westendarp auf Pixabay

Begriffsklärung Objektophilie bzw. Objektsexualität

Objektophilie ist eine Form der sexuellen Anziehung oder des Fetischismus, bei der sich eine Person zu unbelebten Objekten hingezogen fühlt. Sie wird als eine Form der Sexualität beschrieben, bei der Menschen emotionale und/oder sexuelle Anziehung zu Objekten oder Gegenständen empfinden.

Dies kann sich auf alles von Autos, Küchengeräten, Werkzeugen und Kleidungsstücken bis hin zu Gebäuden beziehen.

Diese Art der Anziehung ist relativ selten und wird nicht allgemein als legitime sexuelle Orientierung anerkannt. Sie wird oft als eine Art von Paraphilie betrachtet, dies sind psychische Störungen, die von der gesellschaftlichen Norm abweichende, sexuelle Verhaltensweisen zum Inhalt haben. Im Gegensatz zu sexuellen Spielarten lösen Paraphilien in klinisch bedeutsamer Weise einen Leidensdruck bei der betroffenen Person aus oder beeinträchtigen Dritte.

Es ist wichtig zu beachten, dass Objektsexualität zwar selbst strafrechtlich nicht relevant ist, es aber begleitend zu keinen strafrechtlich relevanten Vorfällen wie Hausfriedensbruch, Erregung öffentlichen Ärgernisses oder Sachbeschädigung kommen darf.

Im psychologischen Mainstream wird Objektophilie als abnormale Sexualität betrachtet, weil die allermeisten Menschen ihre Sexualität auf Interaktionen mit anderen Menschen ausrichten.

Aber zugegeben: Ein H0-Modell beispielsweise einer Großdiesellok vom Typ V200 sieht mit ein bisschen Phantasie irgendwie ein Dildo auf Drehgestellen aus. Eine erotische Assoziation stand auch für den Jargonnamen der Vorserien-Diesellok V160 Pate, die als "Lollo" bezeichnet wird - eine Abkürzung für die italienische Schauspielerin Gina Lollobridiga und ihren körperlich kurvenreichen Vortrag.

Bekannte Fälle von Objektophilie

Kuriose Beziehungen zu Objekten sind inzwischen häufig medial beachtet und publiziert worden. Bekannt geworden im Zusammenhang mit Bahn und Modellbahn sind unter anderem diese Fälle:

 

Objektophilie bei Eisenbahn und Modelleisenbahn

Der in diesem Zusammenhang anzutreffende Begriff der „Objektophilie“ wird alternativ auch als Beschreibung einer pathologischen Sucht verwendet, bestimmte Dinge geradezu zwanghaft zu sammeln. Das ist tatsächlich bei dem einen oder anderen Modelleisenbahner unschwer diagnostizierbar. In der Szene werden Modellbahner, die beispielsweise mit hohem Aufwand nur Rollmaterial sammeln, aber weder Modellbahn-Anlage noch Gleise haben, leicht spöttisch als Vitrinenbahner bezeichnet.

In der Szene ist auch der Begriff des "Pufferküssers" geläufig. Damit werden mehr oder weniger fanatische Fans von Eisenbahnen beschrieben. Pufferküsser ist eine scherzhaft-ironisch gemeinte Bezeichnung für Leute (praktisch nur Männer), die sich übertrieben intensiv mit dem Thema Eisenbahn oder Modellbahn beschäftigen. Pufferküsser kann ein Aktivist einer Museumseisenbahn, ein Eisenbahnfotograf oder auch ein Modelleisenbahner sein.

Auf die Modelleisenbahn bezogen ist der Begriff des "Nietenzählers" bekannt, der ein Modell mit dem exakten Aussehen des Vorbildes haben möchte - koste es, was es wolle. Nietenzählern unter den Modellbahn-Fans wird vorgeworfen, erheblich für die drastischen Preissteigerungen der Modelle mitverantwortlich zu sein, weil der Aufwand bei der Produktion der Modelle durch diese "Kleinigkeiten" exorbitant steigt, beispielsweise durch zusätzliche Handarbeit.

Objektophilie und Objektsexualität in der Wissenschaft

Die Wissenschaft tut sich bislang erstaunlich schwer mit der Forschung zu Objektophilie bzw. Objektsexualität. Sogar die Internationale Klassifikation der Krankheiten (englisch = International Classification of Diseases (ICD) der Weltgesundheitsorganisation WHO kennt im aktuellen ICD-11 die Diagnose nicht. In der Psychotherapie ist hingegen die Diagnose F65 bekannt: Störungen der Sexualpräferenz inkl. Paraphilie.

Der bekannte Frankfurter Sexualforscher Prof. Volkmar Sigusch widmet sich in seinem Buch «Über den kulturellen Wandel von Liebe und Perversion» dem zunehmend auftretenden Phänomen der Objektophilie.

Gründe für diese Neigung sieht der Forscher in der fortschreitenden Vermenschlichung von Gegenständen. So wird beispielsweise in der Werbung häufig Gegenständen eine emotionale Komponente hinzugefügt, wie es aus der Werbung für Autos, Zigaretten und Alkoholika besonders bekannt ist.

Fazit: Zwischen pathologischem Suchtverhalten mit einem zwanghaften Leidensdruck und einem extremen Ausleben der individuellen Hobbygestaltung sind die Grenzen fließend. Wie sagt man so schön hier im Rheinland - "Jedem Tierchen sein Pläsierchen".

 

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Von: Rudolf Ring, Patrizia Ring (M.Sc.)
 
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