Samstag 23. Dezember 2023
Bahnsprech

Modellbahn-Lexikon: Bahnsprech ist die Szene- und Slangbezeichnung für die "Eisenbahn-Fachsprache" der Vorbildbahn

Bahnsprech nutzt besondere Worte, um typische Betriebssituationen und Betriebspannen des Eisenbahnbetriebs zu beschreiben - nicht immer verständlich für die Fahrgäste (Bildgenerator: Bing Image Creator)

Bahnsprech nutzt besondere Worte, um typische Betriebssituationen und Betriebspannen des Eisenbahnbetriebs zu beschreiben - nicht immer verständlich für die Fahrgäste (Bildgenerator: Bing Image Creator)

Als Bahnsprech (auch Bahndeutsch) werden im Slang der Eisenbahner, Eisenbahnkunden und Modellbahner das spezielle Vokabular und die speziellen sprachlichen Verrenkungen bezeichnet, mit denen die Deutsche Bahn (DB) ihre Kunden "informiert" sowie Produkte und Verhaltensweisen beschreibt. 

Tatsächlich hat sich rund um den Bahnbetrieb ein eigener sprachlicher Mikrokosmos entwickelt, teils unverständlich, teils amüsant, teils irritierend. Dazu zählen vor allem spezielle Zugdurchsagen oder Durchsagen am Bahnhof, aber Bahnsprech begegnet Ihnen auch auf Informationstafeln und sogar Werbebannern. Charakteristisch für Bahnsprech ist: 

  • Urdeutsche Worte werden neu zusammengesetzt (Komposita) oder bekommen eine neue Sinngebung, die dem Nicht-Bahngeschulten erstmal mehr oder weniger verborgen bleibt.
  • Viele Bezeichnungen sind in "Neudeutsch" (sprich: Englisch), aber dermaßen verdreht, dass sie selbst englischsprachige Muttersprachler seltsam finden oder kaum verstehen. Zeitweise waren Anglizismen scheinbar in der Kommunikation mit dem Fahrgast geradezu ein Muss, nach aktuellen Bekundungen soll aber wieder mehr Hochdeutsch gesprochen werden. Das wird an der "Bahncard" aber sicher nichts mehr ändern.
  • Auch die größten Katastrophen werden mehr oder weniger euphemistisch beschrieben und kleingeredet. 

 

In Zeiten der Soundmodule der digitalen Modelleisenbahn ist Bahnsprech nicht nur vom Verständnis der Betriebsabläufe, sondern auch für die absolute Vorbildtreue bei vorbildorientierten Modelleisenbahnern der Kategorien Nietenzähler und Pufferküsser ein wichtiger Punkt der Realitätsbewältigung auf der Modellbahn-Anlage. Im Nachfolgenden haben wir für Sie einige wichtige Vokabeln und Wendungen in Bahnsprech zusammengefasst und in verständliches Hochdeutsch übersetzt: 

Der Zug fährt von Gleis X abTypischer Fall von Bahnsprech. Ob und wann der Zug da wirklich jemals abfährt, ist nicht sicher. Gemeint ist nur: Der Zug wird auf dem Gleis X bereitgestellt, damit man zusteigen kann.
TriebwagenKeine Sorge, hier braucht niemand Angst vor Fahrgästen zu haben, die in speziellen Waggons niedere Instinkte ausleben. Gemeint sind Fahrzeuge, bei denen keine separate Lokomotive vor den Zug gespannt werden muss, Lok und Waggons sind sozusagen ein Fahrzeug.
ZugbegleiterFrüher gab es mal Zugführer (der mit der roten Schärpe) und Schaffner (die einem immer die Fahrkarten entwertet haben). Heute gibt es nur noch Zugbegleiter. Die Bezeichnung ist irritierend: Warum hat der Zug es nötig, begleitet zu werden? Geht es ihm technisch irgendwie nicht gut? Trotz des Namens: Tatsächlich sind die Zugbegleiter für die Fahrgäste gedacht und dürfen auch von ganz normalen Reisenden angesprochen werden.
BetriebsstörungDie schlimmste Vokabel des Bahnsprech. Wenn eine Betriebsstörung gemeldet wird, kann es in seltenen Fällen tatsächlich eine technische Ursache haben, warum ein Zug nicht abfährt, nicht weiterfährt oder nicht ankommt. Meist aber verbergen sich dahinter andere Dramen, von Lokführern, die verspätet ihren Zug übernehmen bis zu Selbsttötungen, denen nichts Besseres einfiel, damit sie hunderte oder tausende Fahrgäste auf ihr Schicksal aufmerksam machen und am nächsten Tag in der Zeitung erwähnt werden.
Umgekehrte WagenreihungOMG! Für den Modelleisenbahner kein Problem, die Preiserlinge am Modell-Bahnhof beschweren sich ja nicht. In der Realität hingegen bedeutet "umgekehrte Wagenreihung", dass Sie am Bahnsteig trotz der tollen farblichen Markierungen an der Bahnsteigkante von dem Wagen mit Ihrem reservierten Sitzplatz leider 200 Meter entfernt sind. Wer sportlich gut aufgestellt ist, löst dies Problem direkt mit einem entschlossenen Zwischenspurt noch vor dem Einsteigen, ansonsten droht ein Hürdenlauf quer durch den ganzen Zug.
Dieser Zug endet hierKeine Sorge. Der Zug verendet nicht, dem Zug geht es gut und er wird aller Voraussicht nach auch weiter zum Einsatz kommen. Nur fährt er eben heute nur bis zu diesem Bahnhof und nicht weiter.
FahrzeitverlängerungDas ist doch mal was Tolles! Für dasselbe Geld können Sie länger aus dem Fenster gucken, blödsinnige Fahrgast-Kommentaren lauschen oder im Bord-Bistro überteuerte Speisen und Getränke zu sich nehmen. Nur, so toll ist es auch wieder nicht. Denn der Begriff steht schlicht für Verspätungen und verpasste Anschlusszüge.
ZugbindungKlingt ziemlich unangenehm, irgendwie so wie gefesselt, könnte auch ein Begriff aus der BDSM-Szene sein. Ist es zum Glück aber nicht, gemeint ist, dass ein Fahrausweis exakt für einen bestimmten Zug gilt und man nicht wie üblich den Zug für die gewünschte Strecke frei aussuchen kann. Die Zugbindung ist meist bei Sonderangeboten und "Sparpreis-Tickets" anzutreffen.
NormalpreisDer Normalpreis ist der Preis, der für einen Fahrausweis ohne Rabattierungen, Sonderangebote oder Aufschläge wie beispielsweise eine Reservierung berechnet wird. Das einzige normale an diesem Preis ist, dass er von den Fahrgästen normalerweise als viel zu hoch angesehen wird.
Kopf machenKlingt ziemlich martialisch und hat mit "da mache ich mir keinen Kopf" im Sinne von "da denke ich nicht weiter drüber nach" absolut nichts zu tun. Kopf machen bedeutet, dass ein Personenzug in einen Bahnhof hineinfährt und den Bahnhof wieder in die Richtung verlässt, aus der er gekommen ist. Sofern es sich nicht um einen Triebzug oder Wendezug handelt, wird dazu die Lok vorne abgekuppelt und eine neue "hinten" angekuppelt. Das nennt man ursprünglich "Kopf machen". Heute allerdings wird der Begriff generell verwendet, wenn ein Zug auf einer Strecke in einen Sackbahnhof einfährt und es selbst dem dämlichsten Passagier klar sein sollte, dass der Zug beim besten Willen nicht einfach geradeaus weiterfahren kann.
WendezugDie Wende wurde 1989 eingeleitet, sind das also Züge, die ab 1989 zum Einsatz kamen? Weit gefehlt. Wendezüge können sozusagen vorwärts wie rückwärts eingesetzt werden und können dabei auch noch gleichschnell fahren. Während früher Dampfloks (die Älteren werden sich erinnern) ihre Höchstgeschwindigkeit nur vorwärts erreichten und somit mühselig über eine Drehscheibe oder durch Rangierfahrten in die gewünschte Richtung gedreht wurden, können Wendezüge beispielsweise vorwärts in einen Sackbahnhof einfahren und "rückwärts" gleichschnell wieder heraus. Versuchen Sie das mal mit Ihrem PKW. 

Anmerkung: Wir haben hier erst begonnen, Bahnsprech-Begrifflichkeiten zu sammeln. Bitte sehen Sie uns nach, dass es zu Anfang erst wenige Begriffe sind - wir arbeiten daran. Wenn Sie einen weiteren Bahnsprech haben, der hier noch fehlt, her damit! Wir freuen uns über eine Mail an die Redaktion. Falls es bis hierhin noch nicht wirklich deutlich werden sollte - diese Seite ist satirisch angehaucht. Tatsache ist: Bahnfahren ist nicht nur ökologisch sinnvoll, wir lieben Bahnfahren!

 

Literaturempfehlungen: 

 

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Von: Rudolf Ring
 
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